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Das alte Jahr ist gerade um die Ecke verschwunden und das neue hat die erste Monatstür geöffnet: Wir blicken hinein, nehmen Ziele ins Visier und erstellen Umsetzungspläne. Dieses und jenes sollen besser oder anders werden, meist mit dem Blick auf unser persönliches Glück und unseren beruflichen Erfolg.
Business people difficult career
Und welche Rolle spielt dabei die Zeit? Wie gehen wir mit unserer Zeit um? Mit unserer Arbeits- und Lebenszeit?

„Ich habe keine Zeit“, ist ein gängiger Satz. Zwar gibt es Duzende von Zeitmanagement-Tools. Aber greifen diese wirklich? Denn mir scheint, dass trotz aller Hilfsmittel die Zeit an uns vorbeirennt: Oft hetzen wir von morgens bis abends und haben doch das Gefühl, nicht genug geschafft zu haben. Wir finden nicht einmal mehr Zeit für „freie Zeit“, für Muße und Müßiggang, obwohl wir immer wieder sagen: Die Zeit ist unsere kostbarste Ressource.

Zeit als Ressource

Im wirtschaftlichen Denken ist es selbstverständlich, die Zeit als immaterielles Gut und damit als Ware zu betrachten. Dies drückt sich meines Erachtens unter anderem im ökonomischen Begriff „Zeit-gegen-Geld-Tausch“ aus. Diesen Begriff nutzen auch Marketing-Leute, wenn sie Solo-Selbständige davon überzeugen wollen, dass dies in eine Falle führe (weil der Tausch nur 1:1 sei); besser sei ein skalierbares Geschäftsmodell, also ein Online bzw. Digitales Business, welches den Wert der Zeit erhöhe, weil noch mehr Ertrag aus ihr rausgeholt werden könne (weil der Tausch hier 1:x).
Ich selbst mag diesen Begriff nicht und bezeichne ihn als Unwort des Jahres 2014. ;-)

Time is money!

Weshalb hadere ich damit? Weil unsere Zeit damit eine rein technische und mechanische Interpretation bekommt: Zeit wird mit Geld gegengerechnet. Zeit schrumpft zu einem ökonomischen Austauschverhältnis. Wie rechnen wir die Zeit ab? Welchen Wert hat sie? Was bekomme ich in welcher Zeit zurück? – Die old Boys der Wirtschaft, Frederick Taylor und Adam Smith, lassen grüßen!

Ich empfinde diese Auslegung der Zeit nicht nur als obsolet sondern auch als schief. Weshalb sollte dieses Geschäftsmodell und Zeitoptimierungsprogramm, das wir bei großen Firmen ablehnen, weil es für Druck und Stress sorgt und die Menschen krank macht, im Kontext eines Einzelunternehmers gerechtfertigt sein?

New Work: mehr Sinn in der Arbeit

Gleichzeitig nehme ich stark den Trend von „New Work“ in der Arbeitswelt wahr: Mehr Sinn und mehr Werte in und bei der Arbeit werden gefordert. Das beinhaltet für mich auch: Weg von einem rein quantitativen Zeitverständnis hin zu einem qualitativen. Aus Arbeitszeit muss Lebens-Zeit werden! Zudem steht vermehrt nicht nur das persönliche Wohl im Fokus sondern auch das Gemeinwohl. Und das klappt meines Erachtens nicht, wenn wir in veralteten Geschäftsmodell-Strukturen denken, welche die Arbeit unter dem Aspekt eines möglichst effizienten Tauschs von Zeit und Geld auffassen.

Chronos und Kairos

Ich sehe es so: Nicht die Zeitmenge und der Ertrag aus der Zeit sondern die Zeitqualität bringt den wahren Wert der Zeit.
Dies spüren wir besonders in Krisenzeiten, zum Beispiel wenn wir krank oder altersgebrechlich sind, dann wünschen wir uns nichts sehnlicher als Menschen um uns herum, die aus der Zeit eine besondere Zeit machen. Nicht weil Menschen mechanische Arbeit verrichten und „busy“ sind, sondern weil sie die Zeit mit Bedeutung füllen.

Die Griechen der Antike haben für die Zeit zwei unterschiedliche Begriffe geformt: Chronos und Kairos.
Während Chronos die Zeit quantitativ als zeitlichen Rahmen und Ablauf beschreibt, wird Kairos zur qualitativen Zeit: Zeit der Gegenwart, Zeit, die man sich nimmt. Dass Kairos auch als Gott des günstigen Zeitpunkts bekannt ist, wird auf die bildliche Darstellung zurückgeführt, wo dem jungen Gott eine Haarlocke in die Stirn fällt, während der Hinterkopf kahl ist. Die Redensart „die Gelegenheit beim Schopfe packen“ besagt: Wenn die Chance vorbei ist, kann sie von hinten nicht mehr erwischt werden.

Zeitwohlstand

Dandelion clock dispersing seed
Wie will ich 2015 mit meiner Zeit umgehen?

Sie haben es schon festgestellt, für mich ist es auch als Unternehmerin wichtig, Zeit nicht funktional zu betrachten – auch wenn der Markt vordergründig die Zeit-Schnellen und die Zeit-Cleveren belohnt. Ich möchte mir erlauben, mich vom Effizienzdruck meines Tuns zu lösen, denn ich möchte verstärkt die Qualität der Zeit erfahren:

  • Ich bin mir bewusst, wie kostbar meine und Ihre/eure Lebenszeit ist. Deshalb will ich sie nicht so sehr nach der Quantität bewerten sondern nach der Beschaffenheit und Bedeutung. Da ich im Grunde reich an Zeit bin, teile ich sie gerne mit Menschen. Das nenne ich Zeitwohlstand!
  • In meinem Business tausche ich meine Arbeitszeit gegen Geld und achte darauf, dass der (1:1)Austausch der gemeinsamen Zeit sinnstiftend ist, denn die Zeit ist meine Lebenszeit.
  • Ich bin die Herrin meiner Zeit: Ich bestimme das Tempo meines Vorwärtskommens selbst. Und der Kairos hilft mir, zur rechten Zeit das Richtige zu tun – wenn die Zeit reif ist. Dann erfahre ich meist, dass mir „die Dinge einfach vor die Füße gelegt“ werden.

Ich bin sicher: Auch mit dieser Einstellung und mit diesem Ansatz erreiche ich meine persönlichen und geschäftlichen Ziele – vielleicht nicht von heute auf morgen, sondern von heute auf übermorgen. Es ist alles meine Zeit!

Es könnte sein, dass Heinrich von Kleist Recht hat: „Nur wer für den Augenblick lebt, lebt für die Zukunft.“ Was meinen Sie?
Ihnen ein wunderbares und gesegnetes 2015!
 

Weiterführende Literatur:
– Zum Zeitwohlstand: Rinderspacher, Jürgen P. (Hg.): Zeitwohlstand. Ein Konzept für einen anderen Wohlstand der Nation. Berlin 2002
– Zu einem neuen Managementverständnis: Brandes U. et al. (2014): Management Y: Agile, Scrum, Design Thinking & Co.: So gelingt der Wandel zur attraktiven und zukunftsfähigen Organisation, Campus Verlag
– Zum Wachstum als Soloselbständige: Hofert S. (2011):Das Slow-Grow-Prinzip: Lieber langsam wachsen als schnell untergehen. Gabal Verlag