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„Die Funktion von Hierarchie ist das Reduzieren von Konflikten.“ Diesen kernigen Satz hörte ich letzte Woche in einem Seminar über Konfliktcoaching von Dr. Astrid Schreyögg, Supervisorin und Coach mit jahrzehntelanger Erfahrung in Konfliktmanagement.

Konflikte

In einer Zeit, in der sich die Organisationsstrukturen und die Zusammenarbeit in der Arbeitswelt rasch ändern, ist dieser Satz schon fast wie eine Provokation, weil darin die Machtfunktion der Hierarchie deutlich zum Ausdruck kommt.
Und Macht und Hierarchie sind für Viele sehr verpönt – zumal in Deutschland.
 

Ist Hierarchie wirklich so dysfunktional, wie ihr an vielen Stellen nachgesagt wird? Erfüllt sie nicht einfach eine soziale Funktion und schafft Ordnung, gibt einen Rahmen – zum Beispiel für das Management von Konflikten?

Denn: Wo Menschen zusammenarbeiten, entstehen Missverständnisse, Spannungen, Streitereien: Konflikte sind unvermeidlich! Ob sie allerdings nützlich oder schädlich wirken, hängt von den Konfliktparteien und vor allem vom Umgang mit Konflikten ab – von der Konfliktlösung.

Agile Organisationsformen vermindern nicht das Konfliktpotenzial

Werden Organisationsformen verändert – weniger hierarchisch aufgebaut – verhindert dies nicht das Auftreten von Konflikten. Vielleicht geschieht sogar das Gegenteil? Denn mehr Demokratisierung und mehr Beteiligung von Mitarbeitenden führen zu mehr Unsicherheiten und erhöhen das Konfliktpotenzial.
Oft bilden sich dann starke informelle Strukturen und Koalitionsgruppen mit einer inoffiziellen Führung heraus: Mikropolitisches Verhalten verbreitet sich im Unternehmen.

In Organisationen mit Projekt-, Netzwerk- und Matrixstrukturen verdrängen viele Akteure die unterschwelligen Spannungen und Konflikte. Und darüber zu sprechen, ist noch viel schwieriger…

Aber was ist zu tun, wenn die Teamzusammenarbeit nicht gut funktioniert? Wenn die Produktivität einbricht? Wenn verschiedene Interessensgruppen ihre Unzufriedenheit äußern? Können Konflikte einfach ausgesessen werden?

Zwar ist auch die Konfliktexpertin Dr. Schreyögg nicht der Meinung, alle Konflikte müssten stets auf den Tisch und bearbeitet werden. Nein, Konflikte können auch versickern.
Allerdings ist spätestens dann ein aktives Konfliktmanagement angesagt, wenn Menschen in Organisationen unter den Konflikten leiden!

Aufgabe der Führungskraft: vermeiden und lösen von Konflikten

In der formalen Hierarchie ist es die Führungskraft, die für das Konfliktmanagement zuständig ist. Es gehört zu ihren Aufgaben, Spannungen im Team weitgehend zu reduzieren beziehungsweise Konflikte zu lösen.
Die Führungskraft muss Maßnahmen ergreifen, die eine Konflikteskalation (siehe: Stufen der Eskalation von Glasl) oder die Ausbreitung eines bestehenden Konfliktes verhindert. Das Ziel muss sein, die Handlungs- und Leistungsfähigkeit von Teams günstig zu beeinflussen und nicht durch Konflikte zu beeinträchtigen – vor allem, wenn es sich um Konfliktherde handelt, die nicht produktiv genutzt werden können – z.B. um Innovationen zu generieren.

Selbstorganisation braucht Führung – zur Lösung von Konflikten

In hierarchischen Strukturen lässt sich die Verantwortung von Konfliktmanagement direkt der Führung zuordnen.

Dass die Selbstorganisation von sozialen Systemen wie Teams und Unternehmen ebenfalls Führung braucht, beschreiben Boris Gloger und Dieter Rösner ausführlich in ihrem Buch „Selbstorganisation braucht Führung“. Zwar basiert die agile Führungsform stark auf Partizipation, Vertrauen und auf dem Herstellen von Freiwilligkeit und Präsenz, aber gerade, wenn es um das Lösen von Konflikten geht, wird klare Führung benötigt – im Interesse des Systems. Die Autoren empfehlen Managern jedoch, ihre Machtinterventionen – zum Beispiel in Konfliktsituationen – berechenbar, nachvollziehbar und nicht zu vorschnell einzusetzen.

Machteingriff als Führungskraft

Egal ob Führung in einer formalen Hierarchie oder Führung in selbstorganisierten, weniger formalen Strukturen, Führung kommt zuweilen um direkte Machteingriffe nicht herum, nämlich dann, wenn es sich um rasch eskalierende Konflikte handelt.

Diese Machteingriffe, durch die Führung und durch Hierarchie legitimiert, sind vor allem auf den fortgeschrittenen Eskalationsstufen 7 – 9 einzusetzen (Eskalationsstufen nach Glasl) – mit dem Ziel, schädigendes Verhalten rasch einzudämmen, Blokadehaltungen und Positionskämpfe entschieden zu beenden, nicht zuletzt deshalb, weil ökonomische Ergebnisse nicht gefährdet werden können. Das Signal muss lauten: „Stopp! Dieser Konflikt wird hier und jetzt beendet, um Schaden für Mensch und Unternehmen zu begrenzen!“

Diese Begrenzungen sind vor allem dann notwendig, wenn Konflikte die Mikroebene verlassen und eine Meso- oder Makroebene erreichen, also zu Konflikten mit einer größeren Reichweite und der Involvierung weiterer Akteuren werden. Oder noch auf der Mikroebene: bei Persönlichkeiten mit ausgeprägten narzisstischen Störungen, die von stark schädigendem Verhalten angetrieben werden. Auch ihr Handeln muss in bestimmten Situationen deutlich von außen begrenzt werden.

Moderation zur Konfliktlösung durch die Führungskraft

Bei denjenigen Merkmalen von Konflikten, die nach Glasl in die Stufen 1 – 3 (Verhärtung, Debatte, Worte statt Taten) eingeordnet werden können, ist ein solch mächtiger Eingriff kontraproduktiv.
Da bei anfänglichen Konflikten die Bereitschaft der Konfliktakteure in der Regel noch vorhanden ist, miteinander in einen Dialog zu treten, sollte jede Führungskraft deshalb die Fähigkeit besitzen, in einer moderierenden Rolle die Konflikte zu lösen.

Sollten die Konflikte jedoch weiter eskalieren und die Stufen 4 – 6 erreichen, ist Moderation als alleiniges Interventionsmittel nicht mehr ausreichend. Hier ist Prozessbegleitung angesagt.
Bei diesen mittleren Eskalationsstufen ist es von Vorteil, einen Konfliktberater von extern ins Unternehmen zu holen, da dieser Interventionstools zur Deeskalation anwenden kann, die für eine Führungskraft nicht passend wären – wie z.B. sozio-emotionale Prozessbegleitung oder Mediation.
Einem Konfliktberater fehlt allerdings die formale Macht, wie sie eine Führungskraft qua Amt besitzt, um eine Konflikteindämmung nachhaltig durchzusetzen.

Rolle des Coach: Führungskräfte für das Konfliktmanagement fit machen

Die Aufgabe von Konfliktcoaches besteht darin, Führungskräfte für das Konfliktmanagement in Unternehmen fit zu machen: Die Führungskraft in ihren personalen und sozialen Kompetenzen (u.a. Kommunikation, Ambiguitätstoleranz) so zu stärken, dass sie – mit einem Modell „guter Führung“ ausgestattet – im Sinne einer Konfliktprävention wirksam handeln kann.

Zur Kuration von Konflikten ist es wichtig, mit der Führungskraft gemeinsam die sozialen Phänomene in Organisationen (u.a. Mikropolitik, Gruppendynamik) zu erfassen und zu deuten und ihr zu einem reichhaltigen Methodenkoffer zur Konfliktlösung zu verhelfen. Dies heißt auch, die Führungskraft dahingehend zu beraten, sich solange wie möglich, für das Eindämmen des Konflikts einzusetzen.

Es gibt Anlässe und Konstellationen, die besonders häufig zu Konflikten führen.
Dazu gehören unter anderem: Doppelspitzen in Unternehmen, Führung in öffentlichen Verwaltungen, Familienunternehmen und die neu ernannte Führungskraft in den ersten 100 Tagen!
Deshalb lohnt es sich, sich auf eine neue Führungsposition gut vorzubereiten und die ersten Wochen und Monate sorgfältig und klug zu gestalten.

Lassen Sie sich dabei unterstützen! :-)
 
Literatur:

  • Glasl F. (2013): Konfliktmanagement: Ein Handbuch für Führungskräfte, Beraterinnen und Berater, 11. Auflage, Verlag Freies Geistesleben
  • Gloger B, Rösner D. (2014): Selbstorganisation braucht Führung. Die einfachen Geheimnisse agilen Managements, Hanser Verlag
  • Schreyögg A. (2011): Konfliktcoaching. Anleitung für den Coach, 2.aktualisierte und erweiterte Auflage, Campus Verlag

 
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