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Führungskräfte und Mitarbeiter müssen immer häufiger quer zu Abteilungen und Funktionen zusammenarbeiten. Viele scheitern und erreichen keine guten Ergebnisse, denn diese Arbeitsform ist erheblich anspruchsvoller als das Zuweisen von Aufgaben oder das Durchsetzen von Entscheidungen mit Ansage.

Führen ohne Weisungsbefugnis – ohne hierarchische Legitimation – ist für viele Führungskräfte wie Führen ohne Macht und deshalb wie ein zahnloser Tiger. Entsprechend ist das Handeln halbherzig und wirkungslos.
Führen ohne Weisungsbefugnis: Zahnloser Tiger?

Wann wird ohne Weisungsbefugnis geführt?

Zum Beispiel …
• bei team- und abteilungsübergreifender Projektarbeit – ohne Weisungsbefugnis der Projektleitung, z.B. Scrumprojekte
• in virtuellen Teams, Stabstellen, gemischten Führungsteams/Shared Leadership
• bei Abstimmungsprozessen zwischen unterschiedlichen Bereichen / Abteilungen
• in Startups, Matrixorganisationen

Traditionelles Verhalten von Führungskräften reicht nicht – erweitertes Verständnis wird benötigt

Viele Führungskräfte versuchen in solchen Konstellationen, mit ähnlichen Methoden zu agieren, wie sie in hierarchischen Strukturen Einfluss nehmen:

  • Auf der persönlichen Ebene: mit mehr Charisma und persönlicher Begeisterung
  • Auf der Interaktionsebene: mit stärkerem Fokus auf die Gesprächsführung, mit schlagfertiger Argumentation, strategischer Verhandlungsführung, frühzeitiger Konfliktmoderation, regelmäßigem Feedback, mehr Beteiligung der Kollegen und Mitarbeiter
  • Auf der Organisationsebene wird versucht, mehr Sinn und Orientierung zu vermitteln, Ziele und Strategie besser zu vermitteln.

Dieses Handeln ist richtig und wichtig. Aber es reicht nicht!
Für die Führung ohne Weisungsbefugnis wird ein Verständnis der Wechselwirkungen von sozialen Phänomenen benötigt, damit diese vor dem Hintergrund der Organisation gedeutet und beeinflusst werden können.

Laterale Führung: Widersprüchliches in Einklang bringen

Führen ohne Weisungsbefugnis wird auch als laterale Führung bezeichnet – also „seitliche Führung“, eine Formulierung aus zwei sich widersprechenden Begriffen: Führung steht im Zusammenhang mit einer vertikalen Linie im hierarchischen Organigramm; lateral verweist auf eine horizontale Linie.

Der Begriff „laterale Führung“ ist verwirrend und macht damit deutlich, welch widersprüchliche Anforderungen bei diesem Führungskonzept in Einklang zu bringen sind.

Historie der lateralen Führung

Schon in den 1950er Jahren wurde nebst der klassischen Führung „von oben“ auch diejenige „von unten“ oder „zur Seite“ beschrieben. Letztere wurden damals als laterale Beziehungen oder laterale Kooperationsbeziehungen bezeichnet. Heutzutage fallen auch kooperative Netzwerke oder Shared Leadership in diese Begriffskategorie.
In Deutschland wurde die Wirk- und Anwendungsweise lateraler Führung wesentlich von Stefan Kühl, einem Organisationssoziologen, geprägt.

Kooperative Zusammenarbeit ist Ziel des lateralen Führens

Dort, wo die Selbstorganisation von Teams in Arbeitsprozessen eine immer größer werdende Rolle spielt, ist laterales Führen aus dem Führungsalltag nicht mehr wegzudenken:
Es geht wie in allen wirtschaftlichen Unternehmen darum, gemeinsam Aufgaben zu bewältigen, Produktivität und Qualität zu sichern und Ziele zu erreichen.

Diese Wirkung muss trotz unterschiedlicher Interessen und Ansprüche, trotz lokaler Rationalitäten und vor allem trotz fehlender Positionsautorität der Führungskräfte erreicht werden. Die Führungskräfte sind selbst in die Teams integriert und müssen/können ihre Funktion nur mit Distanz ausüben.

Ziel und Aufgabe des lateralen Führens besteht in der kooperativen und ergebnisorientierten Zusammenarbeit – ohne Instrument der Hierarchie.

Einflussmechanismen der lateralen Führung: Verständigung, Macht, Vertrauen

Während in der hierarchischen Zusammenarbeit die Abläufe weitestgehend formalisiert sind (zum Beispiel durch Weisungsrecht, Arbeitsvertrag, Zielvereinbarungsgespräch), sind sowohl „im Schatten“ der Hierarchie wie auch in hierarchiefreien Organisationsstrukturen Formen der Einflussnahme zu finden, die unterschwellig verlaufen.

In allen Organisationen basieren diese Formen der Einflussnahme auf Vertrauen, Verständigung und Macht:

  • In Teams und Gruppen entwickeln sich stets Vertrauensverhältnisse.
  • Verständigungsprozesse bilden eine wichtige Grundlage in allen Organisationen.
  • Und in allen Unternehmen sind Machtspiele im Gange – formalisierte oder nicht formale.

Das Grundkonzept des lateralen Führens berücksichtigt diese drei Mechanismen, die in hierarchischen oder hierarchiefreien Strukturen vorkommen und nimmt Einfluss auf die Prozesse der Verständigung, Macht und Vertrauen.

Laterale Führung muss sich mit Macht beschäftigen

Des Öfteren wird ein Führungsverständnis propagiert, welches sich auf ein oder zwei der oben genannten Säulen stützt – je nach Zeitgeist, Branche oder Wertekanon der Unternehmenskultur.

Derzeit sind es vor allem Vertrauen und Verständigung, die im im Trend liegen.
Der Einsatz von Macht wird unter Umständen kategorisch abgelehnt, weil er als dysfunktional oder als manipulative Einflussnahme bewertet wird.
Bei dieser Bewertung wird ausgeblendet, dass der bewusste Einfluss von internen und externen Akteuren in allen Organisationen zum beruflichen Alltag gehört. Diese Prozesse, als Mikropolitik bezeichnet, bilden die organisationale Innenpolitik und haben – je nach Situation und Ausprägung – eine funktionale Berechtigung.

Auch laterale Führung muss sich mit Macht auseinandersetzen, weil es nicht geregelt beziehungsweise nicht gewünscht ist, dass eine Führungskraft Anweisungen gibt.
Machtverhältnisse entstehen dennoch und gehören zum Instrumentarium, um Aufgaben zu strukturieren. Diese Machtverhältnisse beruhen auf Expertenwissen, Kontakten und Informationen.

Das Wichtigste über laterale Führung

      o Laterale Führung stellt hohe Anforderungen an Führungskräfte und Teammitglieder in Organisationen.

      o Verständigung, Macht und Vertrauen spielen in allen sozialen Kontexten eine Rolle.

      o Laterales Führen ist ein Managementstil, der die flexible und selbstorganisierte Zusammenarbeit in Unternehmen unterstützt.

      o Wirkungsvolles Handeln entsteht vor allem durch eine gründliche Analyse und Bewertung sozialer Phänomene sowie durch passende Aktionsformen, um Verständigungsprozesse zu organisieren, Machteinfluss einzubringen und Vertrauensbeziehungen zu entwickeln – mit dem Ziel der kooperativen und ergebnisorientierten Zusammenarbeit.

 
Literaturhinweise

    • Geschwill, Roland, Nieswandt, Martina (2016), Laterales Management: Das Erfolgsprinzip für Unternehmen im digitalen Zeitalter, Springer Verlag Wiesbaden
    • Gloger, Boris, Rösner, Dieter (2014), Selbstorganisation braucht Führung: Die einfachen Geheimnisse agilen Managements, Carl-Hanser Verlag München
    • Kühl, Stefan, Schnelle, Thomas (2009), Führen ohne Hierarchie: Macht, Vertrauen und Verständigung im Prozess des Lateralen Führens, In: OrganisationsEntwicklung 02/2009, S. 51 – 60
    • Kühl, Stefan, Matthiesen, Kai (2012), Wenn man mit Hierarchie nicht weiterkommt: Zur Weiterentwicklung des Konzepts des Lateralen Führens, In: Grote, Sven (Hrsg.) (2012), Die Zukunft der Führung, Springer Verlag Berlin, Heidelberg, S. 531 – 556
    • Kühl, Stefan (2016), Führen ohne Hierarchie: Macht, Vertrauen und Verständigung im Konzept des Lateralen Führens, In: Geramanis, Olaf, Hermann, Kristina (Hrsg.), Führen in ungewissen Zeiten: Impulse, Konzepte und Praxisbeispiele, Springer Verlag Wiesbaden, S. 251 – 264
    • Kühl, Stefan (voraussichtlich Herbst 2016), Laterales Führen, Springer Verlag Wiesbaden
    • Stöwe, Christian, Keromosemito, Lara (2013), Führen ohne Hierarchie – Laterale Führung: Wie Sie ohne Vorgesetztenfunktion Teams motivieren, kritische Gespräche führen, Konflikte lösen, 2.Auflage, Springer Verlag Wiesbaden

 
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