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Durch ein aktuelles Projekt, in dem ich für Die ersten 100 Tage als neue Führungskraft zusammen mit meiner Kollegin Marit Alke ein online-gestütztes Trainings- und Coachingprogramm erstelle, ist mir sehr deutlich geworden, wie sich die traditionelle Rolle und die Kompetenzen als Trainer und Coach durch die Online-Anforderungen verändern.

©RainerSturm / pixelio.de

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Wir kennen es alle: Seminare werden meist als reine Präsenzseminare durchgeführt – abgekoppelt von der realen Arbeitswelt. Als Trainer bereitet man dafür Wissen auf, strukturiert und vermittelt didaktisch sinnvoll. Und Coaching charakterisiert sich vor allem durch das persönliche face-to-face Gespräch von Coach und Klient bzw. der zu coachenden Gruppe.

Durch die Einführung von erweiterten Lernkonzepten in Unternehmen müssen wir Trainer und Coaches unsere Angebote nun mit online-gestützten Leistungen ergänzen und kombinierte Programme offerieren. Aus diesen andersartigen Lern- und Begleitformen ergeben sich neue Anforderungen an uns.
Eine bisher vorrangige Wissensvermittlung wird sekundär und es ist die die Betreuung / Begleitung, die mehr in Vordergrund rückt. Denn es geht den Unternehmen stärker darum, dass das neue Wissen wirkungsvoll im Berufsalltag umgesetzt wird. Auf der Grundlage von Online-Programmen wird Training mit Coaching verbunden.

Deshalb modifizieren sich die Aufgaben und Tätigkeiten von Trainern und Coaches, und die deutlichen Rollen-Grenzen verwischen: Die bisherige Rolle als Trainer entwickelt sich hin zum Lernprozessbegleiter, zum E-Trainer, zum Online-Coach oder E-Tutor.

Als Coach für Führungskräfte frage ich mich deshalb: Welche Kompetenzen muss ich als Online-Trainer/Online-Coach grundsätzlich mitbringen? Und mich interessieren auch die sogenannt weichen Faktoren: Wie kommuniziere ich? Wie gehe ich mit schwierigen Gruppensituationen um? Was mache ich bei Konflikten? Wie motiviere ich?

Mit diesem Blogartikel möchte ich diesen Fragestellungen nachgehen und Ihnen insbesondere Tipps geben, worauf Sie in der OnlineKommunikation achten sollten.

Welche Kompetenzen sollten Online-Trainer/Online-Coaches mitbringen oder erwerben?

Nach wie vor ist ein fachlicher Überblick oder sogar Detailwissen gefragt, der jedoch durch den Rollenwandel als Prozessverantwortlicher eine neue Bedeutung erhält und in den Hintergrund rückt, dadurch weniger lernzentriert – mehr prozessorientiert ist.

Darüber hinaus sind Kenntnisse in folgenden Kompetenzbereichen hilfreich:
Medienkompetenz

    • wie Sie die Medien für E-Learning oder kombinierte Online-/Offline-Elemente einsetzen
    • wie Sie Medien (Video, Audio, Webinare, Telefonkonferenz, Chat etc.) technisch anwenden
    • wie Sie eine virtuelle Plattform administrieren
    • wie Sie die Medien als synchrone und asynchrone Kommunikationstools einsetzen

Didaktisch-methodische Kompetenz

    • wie Sie Lern- und Begleitungssequenzen planen, steuern, unterstützen, verbindlich regeln
    • wie Sie Feedback und Erfolgskontrollen einbauen
    • wie Sie selbstgesteuertes Lernen und Selbstcoaching fördern
    • wie Sie individuelle Veränderungsprozesse anregen und begleiten

kommunikative Kompetenzen

    • wie Sie bei eingeschränkten Austauschmöglichkeiten konfliktarm kommunizieren
    • wissen, wie Kommunikation im Internet verläuft und wie sie wirkt; Inhalte und Bedeutung von Botschaften erkennen und integrativ nutzen
    • wie Sie die Eigenmotivation der Teilnehmenden über einen längeren Zeitraum und ohne face-to-face Kommunikation fördern
    • wie Sie Gruppendynamik in Online-Begleitung steuern

Kommunikation online
Es ist ein großer Unterschied, ob Sie den Teilnehmenden persönlich im Seminar bzw. in einem 1:1 Gespräch begegnen oder sie nur auf der virtuellen Ebene kennen lernen und die meiste Zeit internetgestützt kommunizieren. Die Online-Kommunikation ist tückisch.

Handlungsempfehlungen für die Kommunikation via elektronische Medien

  • Die schriftliche Kommunikation (z.B. E-Mail-Coaching) muss sehr viel genauer nach den Motiven des Senders analysiert werden. Der Online-Coach muss sich fragen, was ihm der Sender einer Nachricht mitteilen will und was die Nachricht emotional in ihm auslöst. Grundsätzlich sollten die Beteiligten einer Online-Kommunikation in der Lage sein, sehr differenziert und genau zu artikulieren.
  • Im Internet herrscht aufgrund der herabgesetzten Hemmschwelle ein eher salopper Umgangsstil und dadurch wird oft mehr geduzt als gesiezt. Denken Sie jedoch bei E-Mail-Coaching daran, dass Sie in der Rolle des Coaches antworten. Mit einem „Sie“ signalisieren Sie eine angemessene Distanz und den Respekt gegenüber dem Coachee.
  • Da die nonverbalen Signale von Mimik und Gestik nicht sichtbar sind, müssen andere Hilfsmittel für die schriftliche sozioemotionale Kommunikation herangezogen werden. Um Gefühlszustände anzuzeigen, helfen unter Umständen Emoticons o.Ä. und tragen zum besseren Verständnis des Geschriebenen bei. Sie ermöglichen – eingeschränkten – Einblick in die Befindlichkeit des Schreibenden.
  • Auch die gesprochene Sprache sollte aufgrund der reinen Hörwirkung gut eingesetzt werden. Deshalb möglichst vor Beginn eines Online-Programms eine Audiodatei aufnehmen und die Wirkung von Betonung und Formulierungen überprüfen.
  • Im virtuellen Raum besteht grundsätzlich ein höheres Potenzial für Konflikte und Missverständnisse. Äußerungen rein auf der sprachlichen Ebene wirken massiver, da sie nicht mit Mimik und Gestik minimiert werden können. Überlegen Sie sich als Trainer/Coach frühzeitig, welche Situationen Sie dulden möchten und ab wann Sie eingreifen wollen. Machen Sie sich im Voraus Gedanken, mit welchen Interventionen Sie angemessen reagieren möchten, sei es durch eine Metakommunikation während eines Online-Meetings oder sei es durch telefonischen oder persönlichen Kontakt. Als präventive Maßnahmen eignen sich klare Kommunikationsregeln, die Beteiligung der Teilnehmenden und die Förderung der Gruppenbildung. Zudem lassen sich auch mit Humor – wenn es angebracht ist – angespannte Situationen auf der untersten Eskalationsstufe entschärfen.
  • Dem Feedback kommt in Online-Lernprozessen eine größere Bedeutung zu. Es dient der Eigenanalyse und der Lernkontrolle. Integrieren Sie insbesondere bei längeren Programmen in regelmäßigen Abständen kurze Feedback-Schleifen.
    Persönliches Feedback sollte besonders sensibel erfolgen – aufgrund der fehlenden direkten Begegnung sowie des Risikos von Missverständnissen. Bei Feedback im virtuellen Raum gilt übrigens die Faustregel: Loben öffentlich – Kritik auf privaten Kanälen z.B. am Telefon oder auch schriftlich in persönlicher Nachricht.

Typische Problemsituationen im Online-Gruppenformat und wie Sie vorbeugen können

    Fehlende oder schlechte Verbundenheit durch die räumliche Trennung → Verbundenheit hängt in großem Maß davon ab, ob die Erwartungen der Teilnehmenden erfüllt werden, deshalb schon vor Beginn des Online-Programms die Erwartungen klären.

    Passivität von Teilnehmenden bei der Gruppendiskussion → rein virtueller Kontakt wirkt sich hemmend oder aktivierend je nach Persönlichkeit aus, deshalb extro- und introvertierte Teilnehmende unterschiedlich ansprechen oder unterstützen

    „lurking“ – Barrieren zu groß, sich schriftlich mitzuteilen → als Vorbild zeigen, dass „Sprech-Schreiben“ angesagt ist. Zusätzlich Aktivierungstechniken einsetzen z.B. durch direkte Ansprache, konkrete Rückfragen.

    Dominanz, Überaktivität oder Besserwisserei von einzelnen Teilnehmenden → als Online-Trainer selbst nicht in die Falle der Besserwisserei tappen; Weniger-Produktive zur Beteiligung anregen; Viel-Poster maßvoll bremsen: durch Diskussionen in kleineren thematischen Einheiten, durch Hinweis auf die Unterscheidung von Tatsachen und Meinungen, durch den Hinweis auf Vermeidung von Generalisierungen

    kommunikative Missverständnisse vor allem bei asynchronem Informationsfluss oder durch technologische Barrieren wie z.B. in Videokonferenzen: Man sieht sich und hat doch keinen Blickkontakt. → deshalb möglicherweise keine Webcam einsetzen

    Druck- oder Abwehrsituation durch ein Zuviel an Lernmaterialien → kleine Inputhäppchen in längeren Zeitabständen

    Kommunikative Schwierigkeiten, wenn keine Spielregeln festgelegt sind → Teilnehmende frühzeitig in die Regeln – Netiquette für Respekt und Höflichkeit – eines virtuellen Chats einweisen

    das Gefühl, sich ins Wort zu fallen aufgrund technischer Verzögerung → Tempo aus der Online-Kommunikation herausnehmen, gemeinsamen Takt finden

    Teilnehmende empfinden sich als orientierungslos durch zu lange „Sprechlücken“ im Chat → schriftliche Formulierungen für verschiedene Situationen vorbereiten – speziell Anfangs- und Schlusssätze – damit rasches Moderieren und Antworten möglich wird

    Missverständnisse durch Mehrdeutigkeiten in der Schriftlichkeit → z.B. in Webinaren deutlich mehr Bildfolien als in sonstigen Präsentationen verwenden, nur wenig Text

Motivation online

Online-Lernen erfolgt meist von zuhause oder vom Arbeitsplatz aus und über einen längeren Zeitraum. Der erwünschte Erfolg ist nur mit einer hohen und ausdauernden Motivation zu erreichen! Das größte Risiko – sowohl in der Einzelarbeit wie in Gruppenprozessen – geht von einem fehlenden persönlichen Kontakt aus. Das kann rasch zu negativen Folgen führen, wie z.B. Isolation, Unklarheiten über Lernziele, keine Motivation zur regelmäßigen Überprüfung der Ziele, wenig informelle Kontakte, fehlendes Vertrauen.

Welchen Bedürfnissen sollten Trainer/Coaches nachkommen?
Online-Lerner benötigen insbesondere Orientierung und Sicherheit, deshalb

  • mit (Online-)Kick-off Veranstaltung starten
  • Teilnehmende auf Online-Lernphasen vorbereiten
  • Schritt-für-Schritt Anleitungen und Support bereitstellen
  • Erwartungen und Ziele erfragen
  • Nutzen der Lerninhalte verdeutlichen
  • Vorteile des selbstgesteuerten Lernens aufzeigen
  • Mitbestimmungs- und Gestaltungsmöglichkeiten anbieten
  • Strukturierungshilfe und Reflexionsraum geben
  • Druck regulieren und Unterstützung anbieten
  • Präsenzveranstaltung einbauen
  • Erfolge deutlich machen und Anerkennung zeigen

Wie sorgen Sie für Motivation?
Zum Verständnis der Motivation kann das wissenschaftlich erforschte VIST-Modell für Gruppenlernprozesse herangezogen werden. Wenn Sie die nachfolgenden Punkte beachten, sorgen Sie damit für die Erhaltung und Steigerung der Motivation:

Valenz: z.B. Gruppenziel mit hoher Bedeutung für den einzelnen Teilnehmenden definieren, Symbole und Metaphern einsetzen
Instrumentalität: Bedeutung des eigenen Beitrags für den Gesamterfolg herauskristallisieren, z.B. Austausch in kleinen Untergruppen fördern und Feedback geben
Selbstvertrauen: hohe Selbsteinschätzung der eigenen Fähigkeiten lassen Gruppenziele besser erreichen z.B. durch gutes Zeitmanagement
Trust: Erwartung in den Gruppenerfolg stärkt Vertrauen z.B. durch persönliches Kennenlernen oder durch das Einhalten von Absprachen

Denken Sie daran, die Teilnehmenden auch nach Beendigung eines Online-Programms zu motivieren, an ihren Problemstellungen zu arbeiten. Eine weiterführende Coaching-Begleitung z.B. durch ein Follow-Up-Treffen oder durch individuelle Unterstützung sollte deshalb angeboten werden und kann online erfolgen.

Zum Schluss noch der Hinweis auf eine besondere personale Kompetenz, über die meines Erachtens ein Online-Trainer / Online-Coach verfügen sollte: die Ambiguitätstoleranz. Es ist dies die Fähigkeit, Widersprüchlichkeiten und das Nebeneinander von verschiedenen Meinungen zuzulassen und vorbehaltlos positiv zu bewerten. Diese Kompetenz ist in jeglichem Kontext von sozialem Lernen von großer Bedeutung – besonders für die Begleitung von komplexen online-gestützten Programmen.