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Immer mehr Coaches unterstützen ihre Klienten mit Online-Coaching, dazu gehört auch das Coaching per E-Mail. Diese schriftliche Kommunikation ist eine zeitgemäße Form geworden, um in Kontakt zu treten, zu kommunizieren und aus örtlicher Distanz unterstützend zu begleiten. Auch ich nutze dieses asynchrone Format und war zu Beginn unsicher, worauf speziell beim Erstkontakt zu achten ist.

In diesem Blogartikel zähle ich deshalb einige Vor- und Nachteile des Coachings per E-Mail auf – ohne näher auf Sinn und Nutzen einzugehen. Und ich stelle das Modell der 4-Folien vor. Ich wende es selber an und erachte es als hilfreiche Anleitung für das sorgsame Lesen und Schreiben von E-Mails in der Kontaktphase.

Warum ist E-Mail-Coaching auf dem Businessgebiet so beliebt?

©artivista_werbeatelier / fotolia.de

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Führungskräften und vielen im Ausland tätigen Mitarbeitenden kommt ein Coaching auf dem Mail-Kanal sehr entgegen:

  • von jedem Ort der Welt aus einsetzbar
  • ohne großen Zeitaufwand
  • ohne Abwesenheit vom Arbeitsplatz
  • ohne größeren Kostenaufwand
  • bei uneingeschränkten „Öffnungszeiten“
  • mit einer Ad-hoc-Verfügbarkeit
  • kann flexibel genutzt werden

Die Konzentration auf den Kanal der schriftlichen Kommunikation hat natürlich nebst Vorteilen auch ihre Tücken.

Die Pluspunkte des E-Mail-Coachings:

  • Die Kontaktaufnahme wird durch die äußere Niedrigschwelligkeit und eine gewisse Anonymität erleichtert.
  • Die Unterstützung per E-Mail erzeugt eine gewünschte Distanz.
  • Viele Coachee äußern sich freier aber auch dosierter über ihre Gefühle und ihre Situation.
  • Kein direktes Gegenüber lenkt durch Mimik oder Gestik ab.
  • Mit dem hohen Maß an Kontrolle können Intensität und Umfang des „Sich-Preisgebens“ selbst bestimmt werden.
  • Unter Umständen werden Peinlichkeiten und Scham vermieden.
  • Tabuisierte Themen werden leichter angesprochen.
  • Das Schreiben ermöglicht ein intensives Nachdenken und ein Strukturieren des Problems.
  • Durch den zeitversetzten Austausch kommt es zu einer Entschleunigung.
  • Der Zeitpunkt des Lesens und Antwortens wird selbst bestimmt.

Was ich hier als Pluspunkte aufgelistet habe, kann unter Coaches durchaus kontrovers diskutiert werden. Für einige mag der eine oder andere Punkt eher zu einer Negativliste gehören. Aus der Sicht der Klienten jedoch sind es durchaus Vorteile.

Die Herausforderungen beim E-Mail-Coaching:

Der Datenschutz ist bei unverschlüsselter E-Mail nicht gesichert.

Coachinggespräche lassen sich nicht 1:1 auf das schriftliche Format übertragen. Schreiben statt sprechen, lesen statt hören…

In der Kommunikation per E-Mail sind die Sinneswahrnehmungen eingeschränkt und auf den Text und seine Wirkung reduziert. Deshalb ist für das E-Mail-Coaching eine Affinität und Kompetenz zum Schreiben und Lesen hilfreich.

Das bedeutet konkret: Geschriebene Texte müssen in ihren Aussagen, ihrem Sinn, auch zwischen den Zeilen verstanden und in einen größeren Zusammenhang eingeordnet werden. Das Erstellen eines Textes erstreckt sich oft über einen längeren Prozess. Immer wieder werden Überarbeitungen vorgenommen, bis der Text stimmig ist.

Wie erfassen wir eine Erstanfrage und wie antworten wir angemessen?

Methodik der 4-Folien (nach Knatz/Dodier, 2003)

Knatz und Dodier entwickelten ein Konzept, mit dem Sie die E-Mails in immer neuen Runden auf verschiedenen Ebenen betrachten.

Die 1.Folie – der eigene Resonanzboden
Für Sie als Coach geht es beim ersten Lesen darum, herauszufinden, welche Gefühle und Resonanzen ausgelöst werden. Welche Bilder entstehen? Haben Sie einen inneren Zugang zum Mailenden? Können Sie sich vorstellen, mit diesem Menschen in Kontakt zu treten?

Die 2.Folie – das Thema
Wenn Sie die E-Mail ein zweites Mal lesen, richten Sie den Fokus auf das Thema und den Inhalt. Worum geht es? Welcher soziale Kontext kommt zum Ausdruck? Wie ist die Sachebene, wie lauten die Zahlen, Daten und Fakten? Wo liegen die Stärken und Schwächen?

Die 3.Folie – Diagnose
Bei der nächsten Runde analysieren Sie die Fragen, Wünsche, Hoffnungen, Erwartungen des Mailenden an das Coaching. Was sagt der Klient über sich aus?
An dieser Stelle können Sie die 4-Seiten einer Nachricht der Kommunikationstheorie von Schulz von Thun beleuchten: Sachebene, Selbstoffenbarung, Beziehungsebene, Appellebene. Diese vier Betrachtungsweisen finden sich auch in einer E-Mail-Beratung.

Die 4.Folie – Ihre Antwort
Mit dieser Folie verbinden Sie die Antwort an den Klienten.
Achten Sie darauf, dass Sie

  • als Coach antworten und nicht den eher salopperen Umgangston annehmen, der allgemein im Internet herrscht.
  • Respekt und Höflichkeit ausdrücken („Sie“, Namen, kein „Hallo“).
  • auf generelle Fragen des Klienten eingehen, auf Verschwiegenheit etc. hinweisen.
  • Wertschätzung für die Anfrage ausdrücken.
  • Feedback geben darüber, was Sie aus der Anfragemail verstanden haben und was noch offen geblieben ist.
  • erste Hypothesen und Vermutungen in Frageform formulieren (Könnte es sein, dass…? Trifft es zu, dass…?), um eine offene Kommunikation zu ermöglichen.
  • zum Nachdenken anregen und Alternativen offen lassen.
  • den Auftrag und die Grenzen genau beschreiben.
  • Sicherheit und Orientierung geben.
  • einen freundlichen Abschluss finden und zur Antwort einladen.

Vermeiden Sie in Ihrer Antwort Fragen nach dem Warum und Wieso. Sie setzen damit keine Ressourcen frei sondern verhaften im Problematischen. Informieren Sie und begleiten Sie! Oftmals hilft dem Klienten das Schreiben an sich!

Mein Fazit zum Schluss
:
Die Herausforderung sehe ich in der E-Mail-Kommunikation darin, von Beginn an zwischen den Zeilen zu lesen. Ein schriftlicher Dialog transportiert verschiedene Aussagen, Bedeutungen und Übertragungen. Wenn es sich nicht um die bloße Klärung reiner Managementanfragen auf der Sachebene handelt, dann gilt es, diese verschiedenen Botschaften zu entschlüsseln.
In dieser Phase der Erstbegegnung wird der Grundstein für gegenseitiges Vertrauen gelegt, welches nach meiner Erfahrung auch über Distanz möglich ist.

Literaturhinweise:
– Knatz, B., Dodier, B. (2003), Hilfe aus dem Netz. Theorie und Praxis der Beratung per E-Mail, Klett-Cotta Verlag
– Schulz von Thun, F. (2010), Miteinander reden: 1, 48.Auflage, Rowohlt Verlag