+49 (0)4541 604558 info@simonsen-management.de

Unternehmen, Personalverantwortliche und externe Berater gehen meist davon aus, dass das Onboarding von neuen Führungskräften automatisch klappt, vorausgesetzt das „An-Bord-Holen“ des neuen Stelleninhabers wurde mit einem Einarbeitungsplan umgesetzt.

Stimmt das wirklich? Ist mit einem solchen Vorgehen alles gesichert? Denn die Statistik zeigt, dass 40% der neuen Führungskräfte innerhalb von 18 Monaten das Unternehmen wieder verlassen. Dadurch entstehen hohe Fluktuationskosten. Auch bei “lediglich” innerer Kündigung und einem Leistungsverhalten mit angezogener Bremse kommt dies der Firma teuer zu stehen: Diese Führungskräfte tragen nicht zur Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit bei.

Da ich in letzter Zeit öfters konsultiert werde, weil eine Integration neuer Führungskräfte ins Unternehmen am Scheitern ist, will ich in diesem Blog auf einige Fallstricke hinweisen und vor allem Lösungstipps aus der Sicht des Arbeitgebers geben.

Zuerst ein paar Basics für das gemeinsame Verständnis:

Zeitspanne von Onboarding

Onboarding-LeistungsträgerEin Onboarding-Konzept beginnt mit der Vertragsunterzeichnung, da sind sich Empirie und Literatur einig. Unterschiedliche Vorstellungen bestehen allerdings über die zeitliche Länge des Prozesses des “An-Bord-Holens”: Dieser dauert in der Regel 3 bis 6 Monate; sogar von einem ganzen Jahr wird gesprochen, um eine volle Integration ins Unternehmen zu erreichen.

Zielsetzung von Onboarding

Der Unterschied von einer Einarbeitung und einem klugen Onboarding liegt in der Zielsetzung: Mit dem Onboarding wird eine Integration angestrebt, die über das fachliche Know-how und über die soziale Akzeptanz im Team hinausgeht. Es geht um eine kulturelle Integration, die die neue Führungskraft zum Leistungsträger und vor allem zum Insider werden lässt, der mithilft, das Unternehmen voran zu bringen. Deshalb ist eine punktuelle Einarbeitung nicht ausreichend, sondern es wird ein in sich konsistentes Onboarding-Programm benötigt.

Wirkung von Onboarding

Gute Onboarding-Programme bewirken, dass die neuen Führungskräfte schneller produktiv werden, motivierter und zufriedener sind, sich mit dem Unternehmen identifizieren, weil sie die Kultur kennen, über die wichtigsten Informationen verfügen sowie tragfähige Beziehungen und Netzwerke im Unternehmen aufgebaut haben.

Als Vorgesetzter einer Führungskraft haben Sie eine wichtige Funktion für deren Integration

Wenn Sie bei der Umsetzung von Onboarding folgende Tipps berücksichtigen, ist die Chance sehr hoch, dass die Integration des neuen „Häuptlings“ gelingt:

  • Heißen Sie den neuen Stelleninhaber willkommen: Zeigen Sie nicht nur ihm sondern auch gegenüber dem internen und externen Umfeld, dass er der Richtige für die Position ist – wie auch immer das Auswahlverfahren verlaufen ist.
  • Eine der wichtigsten Aufgaben besteht darin, die Job-Erwartungen frühzeitig zu klären – auch schon im Recruitingverfahren. Gehen Sie nicht davon aus, das der Neue am ersten Arbeitstag weiß, wofür er eingestellt worden ist und welche Ziele er erreichen muss.
  • Vereinbaren Sie regelmäßige Gesprächstermine (zu Beginn 1x wöchentlich, später 1x alle 2 Wochen) zum Informationsaustausch, zur Unterstützung in Entscheidungsangelegenheiten und zu Zielvereinbarungen. Helfen Sie der neuen Führungskraft dabei, schwierige Situationen oder das Verhalten von Mitarbeitern zu verstehen.
  • Erfragen Sie konkret die Erwartungen der neuen Führungskraft – zum Beispiel: Was wünscht er sich an Unterstützung von Ihnen?
  • Stellen Sie der neuen Führungskraft einen kommunikativen und “gebrieften” Paten oder „Buddy“ (zum Beispiel aus dem Kollegenkreis) zur Seite, der ein positives Rollenmodell vorlebt und der dabei hilft, Aufgaben und Situationen besser zu verstehen. Wichtig zu wissen: Manchmal ist es hilfreicher, dem Neuen einfach zuzuhören und Fragen zu stellen anstatt Anweisungen zu geben. ;-)
  • Helfen Sie dem Neuen, tragfähige Beziehungen und ein belastbares internes Netzwerk aufzubauen – durch Empfehlungen bei formellen und informellen Anlässen.
  • Führen Sie sachlich und positiv in die Historie und die gewachsenen – auch ungeschriebenen – Regeln des Unternehmens ein, mit dem Ziel, Fettnäpfchen zu kennen und diese zu umgehen. Vermitteln Sie die Vision, Strategie, Ziele des Unternehmens.
  • Geben Sie Feedback für das Handeln und Verhalten der Führungskraft: positiv und konstruktiv! Akzeptieren Sie in den ersten 100 Tagen auch Fehler und bieten Sie individuelle Hilfe für ein verbessertes Handeln an.
  • Fördern Sie die Kompetenzentwicklung der neuen Führungskraft: nötiges Fach- oder Methodenwissen aneignen (durch e-learning oder kurzen Workshop) und im Führungsalltag direkt ausprobieren. Schaffen Sie die Möglichkeit, damit sich der Neue in einer Peer-Group oder mit externer Beratung über seine Erfahrungen austauschen kann.

Wo liegen die Fallstricke für eine schlechte Integration?

  • Gegenseitige Erwartungen stimmen nicht überein: Da der Rekrutierungsprozess häufig eher unter dem Aspekt von Personalmarketing durchgeführt wird, kann dies bedeuten: Schon zu diesem Zeitpunkt wird vom Unternehmen eine betriebliche Realität skizziert, die beim Stellenantritt nicht den Erwartungen der neuen Führungskraft entspricht. Enttäuschungen sind vorprogrammiert!
  • Eventuell wird dem Neuen wichtiges Wissen über das Unternehmen vorenthalten: Er kennt die Kultur, die Strategie und Ziele nicht, um sich damit auseinander setzen und anpassen zu können.
  • Der individuelle Support fehlt – von Seiten des Vorgesetzten, des Paten/Buddy oder der Kollegen.
  • Oder es kommt zu Konflikten im Team, die nicht transparent gemacht werden und dadurch nicht bewältigt werden können.

Woran erkennen Sie, dass etwas schief läuft mit der Integration?

    Der neue Stelleninhaber

    • ist unmotiviert und zeigt geringes Leistungsverhalten. Zeigt wenig Initiative.
    • ist oft gereizt und nimmt jede Kritik persönlich.
    • ist öfters krank – ohne erkennbaren Grund.
    • führt sein Team nicht wirklich: Die Teammitglieder kennen Aufgaben, Ziele, Rollen und Regeln der Zusammenarbeit nicht.

Die Lösung: Kommunikation, Kommunikation, Kommunikation

  • Sprechen Sie als Arbeitgeber oder Vorgesetzter mit der neuen Führungskraft!
    Berichten Sie über Ihre konkreten Wahrnehmungen, erklären Sie, was Sie erwartet haben und fragen Sie Ihr Gegenüber – möglichst sachlich – nach den Begründungen der „Verletzungen der Erwartungen“. Hören Sie zu, was der Neue zu sagen hat, was seine eigenen Erwartungen sind. Missbilligen Sie die Antworten nicht sofort, bzw. reagieren Sie nicht mit Abwehr oder Vorwürfen sondern klären Sie die gegensätzlichen Erwartungen.
    Wer eine neue Stelle zu vergeben hat oder wer eine solche antritt, hat automatisch Erwartungen, die offen und im Dialog geklärt werden müssen: Was ist zu tun? Wie und wann ist es zu tun? Wie schnell? Was soll vermieden werden? Was soll erreicht werden?
    Hinter diesen Erwartungen liegen Wünsche und Interessen, die meist verdeckt und nicht artikuliert sind. Richten Sie den Fokus der Wahrnehmung auf diese Interessen und versuchen Sie zu verstehen, wovon die neue Führungskraft ausgegangen ist.
    Die Erwartungen des neuen Stelleninhabers müssen Sie nicht in jedem Fall akzeptieren, aber Sie sollten diese kennen und vor allem die dahinter liegenden Interessen und Bedürfnisse ergründen. Wenn die Erwartungen nicht übereinstimmen, dann muss über einen Interessensausgleich verhandelt werden – wenn möglich mit einer Win-Win-Lösung.
    Nur wer bereit ist, von starren Positionen („Ich hab recht!“) abzurücken und sich auf gemeinsame Interessen konzentriert („Wie erreichen wir das Ziel, dass es für beide Seiten passt?“), kann zu einer Konfliktlösung beitragen!
  •  

  • Bei Konflikten, die im Team entstanden sind: Stärken Sie dem Neuen den Rücken und stellen Sie sich in schwierigen Situationen deutlich neben ihn! (Klartext sollten Sie nur unter vier Augen reden – nicht vor dem Team, falls Sie mit der Führungskraft nicht einverstanden sind!)
    Klären Sie bei Bedarf den Neuen darüber auf, wie Gruppenprozesse verlaufen (nach dem Modell der Teamuhr von Tuckmann) und dass mit seinem Stellenantritt die “Teamuhr” wieder von vorne zu ticken beginnt. Helfen Sie ihm, sich in den verschiedenen Teamphasen angepasst zu verhalten und zu handeln.
    (Im November 2015 ist im Unternehmer Magazin pt_Erfolg, Pflaum Verlag, ein Artikel von mir über Interventionsmöglichkeiten in den verschiedenen Teamphasen erschienen. Hier lesen Sie mehr dazu.)

Die Integration benötigt viel Aufmerksamkeit – von allen Seiten

Einarbeitung punktuell und „en passant“ reicht heutzutage nicht aus, um neue Führungskräfte sicher ins Unternehmen zu bekommen. Onboarding muss als strategisches Instrument mit System implementiert werden, um Führungskräfte zur vollen Leistungsentfaltung zu verhelfen und sie zu Insider werden zu lassen.
Dies braucht Zeit, Geduld bei Fehlern, individuelle Unterstützung und Anerkennung für das Geleistete. Natürlich muss auch die neue Führungskraft ihren Teil zum Gelingen der Integration beitragen. (Tipps für die ersten 100 Tage als neue Führungskraft finden Sie in meinen Blogartikeln auf dieser Seite zusammengestellt.)

Am Wirkungsvollsten für ein erfolgreiches Onboarding sind diejenigen Maßnahmen, die vom Unternehmen aus umsetzt werden!

Weiterer Blogartikel von mir zum Thema Onboarding: “Onboarding – neue Mitarbeiter ins Unternehmen integrieren
Sowie meine Präsentation bei Slideshare Onboarding please

Und nun sind Sie dran: Teilen Sie diesen Artikel in den sozialen Medien und mit Ihren Freunden, wenn Sie mögen. Danke!